Der DAX: Durch die Wirtschaftskrise beflügelt?

Kaum drei Monate ist es her, dass der DAX erstmals seit Jahresanfang unter 6000 Punkte notierte. Die Weltwirtschaftskrise drückte die Stimmung von Analysten und Anlegern. Schwache Arbeitsmarktdaten aus den U.S.A. sowie die stockende Konjunktur in China bedingten einen deutlichen Absturz des deutschen Leitindex. Zusätzlich sorgte auch die sich zuspitzende Lage Spaniens für Nervosität: Anleihen notierten teilweise im langfristig kritischen Bereich von über 6%. Einzig Deutschland überraschte kurz zuvor mit einem bereinigten BIP von +0,5% im ersten Quartal. Dennoch: Der DAX setzte seinen Abwärtstrend weiter fort.

Heute eröffnet sich dem interessierten Beobachter eine auf den ersten Blick paradoxe Situation: Obwohl sich die Wirtschaftskrise weiter zu verschärfen scheint, notiert der Leitindex mittlerweile auf über 7000 Punkten. Ungeachtet der schwierigen Situation in Griechenland und der Abnahme des deutschen BIP im zweiten Quartal auf nur noch +0,3%, legte der DAX der Deutsche Börse Group eine fast ungebrochene Rally von rund 15% hin.

Veränderte Signale am Markt

Immer neue Hiobsbotschaften aus den europäischen Problemländern sowie massenhafte Downgrades von Banken durch die großen Ratinggesellschaften, Standard & Poor’s und Moody’s, sorgten in der Vergangenheit für eine hohe Volatilität. Als Griechenland und Spanien im April 2010 auf „Junk“ respektive „A-“ abgestuft wurden, verlor der DAX innerhalb weniger Stunden mehr als 2,7% seines Eröffnungswertes. MDax und TecDax reagierten sogar noch stärker und fielen um bis zu 3,8%. Solche Sprünge sind aktuell allerdings zum Glück nicht mehr zu erwarten: Viele negative Tendenzen haben sich mittlerweile eingepreist. Denn da beispielsweise im Fall Griechenland keine Besserung erwartet wird, reagiert der Markt nicht mehr so panisch wie in der Vergangenheit. Das letzte Downgrading Spaniens löste deshalb nur noch einen kleinen Abschwung von 0,9% aus.

Billiges Geld und fehlende Alternativen

In Zeiten der Krise ist daher die Symbolik immer wichtiger geworden. Als Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank, Ende Juli verlauten ließ, dass die EZB alles dafür tun werde, den EURO zu erhalten, reagierte die Börse enthusiastisch und sorgte für ein zwischenzeitliches Kursplus von mehr als 3%. Die teils mangelhaften deutschen Unternehmenszahlen wurden dabei ignoriert.
Des Weiteren profitiert der Leitindex von den fehlenden Alternativen für Anleger. Das Ansehen von Staatsanleihen hat im Zuge der Krise enorm gelitten. Entweder müssten Anleger in Anleihen problematischer Staaten investieren und dabei einen eventuellen Verlust in Kauf nehmen, oder auf sichere Papiere ausweichen, beispielsweise aus Deutschland. Diese sind allerdings durch Negativzinsen bzw. eine Verzinsung unterhalb der Inflation wenig attraktiv. Auch Unternehmensanleihen haben die Anleger durch erste Insolvenzen abgeschreckt. Aktien gelten deshalb aktuell als sicherste Investitionsmöglichkeit – und geben dem DAX weiter Aufwind.

10.000 Punkte und mehr

Die ersten Analysten sprechen schon von einer möglichen Rally auf über 10.000 Punkte. Doch ist bei allem Optimismus Vorsicht geboten: Die aktuell gute Lage des DAX ist nicht das Produkt einem tatsächlich positiven Wirtschaftsumfeld, sondern der Hoffnung auf Besserung. Sollte diese sich langfristig nicht einstellen, verhallen auch die Durchhalteparolen des Herrn Draghi ungehört. Ein tiefer Sturz ist daher bisher leider nicht auszuschließen.

[Ein Gastbeitrag der content.de AG]